Luxguard: Chronik eines ……
Die Geschichte des Glasherstellers der seit 1980 in Luxemburg ansässig ist, ist eine lange. Und gehört in die Rubrik Industriegeschichte unseres Landes. Denn das Ende der Luxguard/Guardian Ära droht. Wie konnte es dazu kommen? Nun der Reihe nach.
Mit dem Niedergang der Stahlindustrie und der forcierten Diversifizierung der luxemburgischen Industrielandschaft kommt der US-amerikanische Glashersteller « Guardian » nach Luxemburg. Die Produktion im Werk « Luxguard 1 » läuft am 21. November 1981 an. Ende der 1980er Jahre kommt ein zweites Werk in Düdelingen dazu. Ein drittes Werk in Grevenmacher, allerdings ohne eigene Flüssigphase, rundet das Bild ab 1992 ab. Das Werk in Grevenmacher wird Ende 2014 von Carlex Glass übernommen. Luxguard 1 bleibt Hauptzulieferer des Werks auf Potaschbierg. Beiden verbliebenen Produktionsstätten (Bascharage und Düdelingen) geht es wirtschaftlich gut. Beide Standorte, lange Zeit wirtschaftlich komplett eigenständig, werfen gute Profite ab. Doch wie das so ist mit großen Aktiengesellschaften: alles für die Aktionäre, nix auf die hohe Kante. Ende 2012 kündigen sich in Düdelingen massive Probleme an. Investitionen von rund 90 Millionen Euro sind notwendig um die Zukunft des Werks abzusichern. Doch genau wie heute mauert die Direktion, wohl mit der nötigen Rückendeckung der Konzernmutter in Auburn Hills, Michigan, USA. Am 19. Dezember 2012 geht eine Pressemitteilung raus in der etwa folgendes steht: Ein « Plan de maintien dans l’emploi » für Guardian Luxguard 2 und Guardian Europe soll dazu beitragen die 263 Arbeitsplätze, welche durch die mögliche Schließung des Standortes in Gefahr sind, abzusichern. Der Staat wird dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel mobilisieren. Guardian verpflichtet sich im Gegenzug dazu, dringend notwendige Reparaturen zu machen um die Lebensdauer des Ofens um weitere vier Jahre zu verlängern. In der Zwischenzeit soll darüber befunden werden, ob in Düdelingen ein neuer Ofen gebaut wird. Gezeichnet ist die Pressemitteilung von Arbeitsminister Nicolas Schmit und Wirtschaftsminister Etienne Schneider. Sechs Jahre später steht Luxguard 2 erneut am Abgrund.
Damals wie heute
Einhundert Millionen für einen neuen Glasofen, das Herzstück eines Werks, werden ganz dringend benötigt. Fragt sich wie man die vergangenen sechs Jahre genutzt hat in denen eigentlich eine Entscheidung hätte fallen sollen? Die damalige Staatssekretärin Francine Closener antwortet auf parlamentarische Anfragen bezüglich der Zukunft des Werks in Düdelingen eher lapidar, dass keine Betriebsstillegungen geplant seien. Und der Wirtschaftsminister twittert direkt nach der Unterredung mit den Guardian Bossen in Michigan, dass sehr wohl Investitionen, aber ganz sicher keine Betriebsschließungen in Luxemburg geplant seien. Das war im Jahre 2018, und klingt heute wie blanker Hohn. Der Ofen in Düdelingen ist aus und rund 200 Beschäftigte bangen um ihre Zukunft. Wie es zu diesem tragischen Ende kommen konnte? Ganz einfach: Guardian Industries, die seit 2016 zu 100 Prozent dem US-amerikanischen Mischkonzern « Koch Industries » gehören, haben dieses Mal nicht nur keine weiteren Investitionen angekündigt, die dann nie gemacht wurden. Sie haben zudem nach altbewährter Manier die Belegschaft und die Gewerkschaften vor vollendete Tatsachen gestellt. Koch Industries mit Sitz in Wichita, Kansas – in über 50 Ländern weltweit in den Produktionsbereichen Erdöl, Erdgas, Chemie, Energie, Nahrungsmittel und Kunststoff tätig – versucht die Gewerkschaften in einen Sozialplan zu zwingen, den diese nicht wollen.Vorerst ist daraus nichts geworden. Ein Plan de maintien dans l’emploi wurde aufgelegt und damit der drohende Verlust von 200 Arbeitsplätzen abgewendet….vorerst.
Guardian Industries forcieren die Fusion der beiden Werke Bascharage und Dudelingen. Dabei wird das Werk in Düdelingen geopfert. Luxguard 2 ist also nicht das Opfer der Corona-Pandemie, wie Wirtschaftsminister Fayot es nannte. Düdelingen ist das Opfer eines Systems, welches auf maximaler Ausbeutung und Überproduktion fußt. Ein neuer Ofen lohnt sich in diesem System für Düdelingen offensichtlich nicht mehr. Einhundert Millionen Dollar sind da anderswo schon besser investiert. Zum Beispiel in Polen, wo seit Ende 2018 ein funkelnagelneues Werk steht. Zudem hat Guardian Glass in Czestochowa in eine brandneue Glasbeschichtungsanlage investiert und rund 150 Arbeitsplätze geschaffen. Das Werk in Polen produziert mit 1000 Tonnen Floatglass pro Tag etwa 50 Prozent mehr als beide Werke in Luxemburg zusammen.
Performance
Der Beschäftigungsplan für Luxguard 2 ist in trockenen Tüchern; damit haben Belegschaft und Gewerkschaften eine kleine Verschnaufpause. Der Sozialplan, also radikaler Arbeitsplatzabbau, den Guardian auf Biegen und Brechen wollte, ist erstmal vertagt.
Fakt ist, dass am Ende 200 Beschäftigte trotz allem riskieren ihren Arbeitsplatz und damit ihre Existenzgrundlage zu verlieren. 200 Beschäftigte: das sind 200 Einzelschicksale, 200 Familien die sehr wahrscheinlich riskieren mit in den Strudel des sozialen Abstiegs gerissen zu werden. Den Bossen von Guardian oder Koch Industries ist das alles völlig egal. Das was zählt ist Performance!
Und die Shareholder interessieren sich mehr für den Aktienkurs als für die Probleme ihrer Beschäftigten. Außer vielleicht für die Performance. Die Gewerkschaften wollten von Anfang an die Guardian Bosse auf ein Investitionsversprechen für Bascharage (Luxguard 1) festlegen. Bislang ohne greifbares Resultat. Es ist kein Geheimnis, dass der Ofen in Bascharage in 2 Jahren am Ende seines Lebens- und demnach Produktionszyklus angekommen ist. Ein neuer Ofen kostet in etwa 90 Millionen Euro. Bauzeit 15 Monate!
Sollte Guardian also tatsächlich bereit sein zumindest das Werk in Bascharage zu erhalten sollte die Firma das genau jetzt sagen. Die Gewerkschaften und die beschäftigten, und zwar ALLE, warten auf ein Signal. Sollte allerdings diese Zusage nicht gleich kommen, dann droht dem Werk in Bascharage das gleiche Schicksal als dem Werk Düdelingen. Dann stünden insgesamt 450 Arbeitsplätze auf der Kippe. Ein absoluter Skandal!
Und zur Erinnerung: Die Krise bei Guardian ist systeminhärent und sicherlich nicht mit der CoronaPandemie zu erklären. Guardian ist nicht Opfer dieser Krise, sondern profitiert hemmungslos davon. Die Verlierer der Krise werden nicht die Bosse in Wichita sein.
Jean Claude Thümmel 03/09/2020