Rechnen… und kürzen
Im europäischen Vergleich ist Luxemburg eines der Länder wo der Anteil der Familienzulagen an den Sozialleistungen am höchsten ist. 16,2% aller Sozialleistungen bestehen aus Familienzulagen (Kindergeld, Erziehungszulage, Kinderboni, Geburtszulagen, chèque-service…). Schon die vorherigen Regierungen hatten ihres getan, dies zu ändern zum Beispiel durch die Desindexierung des Kindergeldes oder indem sie das Kindergeld auf 18 Jahre beschränkten und die Studienbeihilfen reformierten, um so die alleinigen in Luxemburg ansässigen Studenten zu begünstigen, und die Kinder der ausländischen ArbeitnehmerInnen von den Zulagen auszuschliessen. Diese Reform wurde jedoch vom europäischen Gerichtshof gekippt, so dass Millionen Rückzahlungen ins Haus stehen.
Ein kleiner historischer Exkurs, der vielleicht einige Sichtweisen zurechtrücken wird: Die Familienzulagen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt. Sie sollten dem Arbeiter erlauben, seine Familie in der er der Alleinversorger war, über die Runden zu bringen und seine Ehefrau sollte sich darum kümmern, wenn möglich weitere gesunde Arbeiter großzuziehen, die die Ablösung garantierten. Ein kräftiger Schuss patriarchalische Weltsicht, die auch in den Gewerkschaften grassierte, tat Seines dazu. Frauen raus aus den Fabriken, und in ihre angestammte Rolle als Heimchen am Herd und als Kindererzieherin, dies war auch aus gewerkschaftlicher Sicht ein Fortschritt.
Frau zwischen Kinder und Küche
Das Bezahlen des Kindergeldes war Sache des Patronats, die ersten wurden in der Stahlindustrie in den Jahren 1916/17 ausbezahlt. Auch bei der Gründung der Nationalen Kasse für Familienzulagen waren die Arbeitgeber und die Selbstständigen die Geldgeber für das Kindergeld. Bis 1994 beschlossen wurde, dass der Staat die Kosten übernimmt.
Die neue Ministerin wird wohl kaum eine andere Richtung in Sachen Familienzulagen einschlagen als ihre Vorgängerinnen. Obwohl uns weisgemacht werden soll, dass die Gelder versiegen, wird die Rückkehr zur alten Finanzierungsmethode über Beträge der Betriebe nicht zur Debatte gestellt. Im Jahre 2012 hat der Staat diese Beiträge bezahlt und so dem Patronat 225,816 Millionen Euros geschenkt. Von der Wiederindexierung des Kindergeldes, wie sie die Gewerkschaften fordern, will die Ministerin auch nichts wissen. Neue Pisten werden angedacht, um die Ausgaben zu zügeln, nicht etwa aber um eine Verbesserung für die Familien zu erreichen.
In einer Studie der Generalinspektion der Sozialversicherungen werden diese Pisten erläutert. Eine Versteuerung der Zulagen würde 148 Millionen Euros bringen. Die Steuerlast für Familien mit Kindern würde um 11,6% steigen! Wenn auch noch der Kinderbonus versteuert wird, würde die Steuerlast um 15,4% steigen! Abgesehen davon, dass dann jeder Haushalt mit Kindern eine Steuererklärung machen müsste.
Kleiner Haushalt, hohe Kosten
Eine andere Piste, die Corinne Cahen angedacht hat, ist das Ausbezahlen eines einheitlichen Betrags für jedes Kind. Der Betrag für ein Kind liegt zurzeit bei 185 Euros monatlich, 220 Euros für das zweite Kind und bei 305 Euros für das fünfte Kind! Diese progressive Steigerung wurde eingeführt zur Zeit des Calot-Berichts, der behauptete die Luxemburger seien vom Aussterben bedroht! Die natalistische Politik hatte allerdings eine sehr geringe bis gar keine Wirkung. Bei einer einheitlichen Zahlung würde jetzt natürlich der geringste Betrag ausbezahlt werden, was dann eine Ersparnis von 125 Millionen Euros jährlich ausmachen würde.
Die Familienzulagen machen einen nicht unerheblichen Teil des Einkommens aus, besonders von Geringverdienern. Sie zu kürzen heißt für Familien mit Einkommen bis zu 2.500 Euros ein bedeutender Einkommensverlust.
In der Tat sollte man für jedes Kind Zulagen in gleicher Höhe bekommen, in einer Höhe, die sich an den realen Kosten der Ausgaben für das Kind orientiert, im Sinne einer Verbesserung der Chancengleichheit.
Des Weiteren sollten die Zulagen wieder indexiert werden, damit sie mit der allgemeinen Teuerung Schritt halten.
Finanzieren kann man dies über die Wiedereinführung der Beiträge für die Betriebe und deren Erhöhung. Dies kann zum Beispiel durch eine generelle Aufhebung der Beitragsdecke geschehen, die bei dem fünffachen Mindestlohn liegt, im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. Denn der jährliche Bericht der IGSS belegt auch, dass die Beitragslast verhältnismäßig höher ist bei kleinen Einkommen als bei hohen Einkommen.