#BleiftDoheem… restart (2)
Es stellt sich im Übrigen und ganz allgemein die Frage, was wir uns in Zukunft noch leisten können oder wollen. Die Corona Krise hat eindrucksvoll gezeigt, dass unsere strategische Reserve, zurückhaltend ausgedrückt, den Anforderungen nicht standhielt. Wir sprechen nicht von der strategischen Treibstoffreserve. Die Rede ist von der Notfallreserve an medizinischem Material und Schutzausrüstungen.
Frankreich hat seine Notfallreserve bereits 2013 aufgelöst. Die Europäische Union hat Ende März 2020 eine gemeinsame Notfallreserve eingerichtet. Frage: reichen 50 Millionen Euro um eine solche Notfallreserve für alle 27 Länder der EU mit dem Notwendigsten zu versorgen? Darf man sich darauf verlassen oder sollten die einzelnen Länder nicht doch einer nationalen Notfallreserve eine gewisse Priorität einräumen?
Es stellt sich im gleichen Zusammenhang die Frage, ob es zielführend ist, wenn die meisten Medikamente heute in Indien oder China hergestellt werden? Um mehr Transparenz und Wirkstoffsicher-heit zu erreichen wird es notwendig sein den gesamten Herstellungsprozess zurück nach Europa zu holen. Die Pharmaindustrie muss an die Kandare genommen werden. Und zwar schnell.
Die fieberhafte Suche nach einem Corona Impfstoff hat viele Akteure auf den Plan gerufen. Es ist zu befürchten, dass jene die den Wettlauf gewinnen, astronomische Gewinne einfahren werden. Ein Grund mehr die staatliche Kontrolle zu verstärken und dafür zu sorgen, dass nicht nur die geimpft werden, die sich den Impfstoff leisten können. Gesundheitsvorsorge gehört zu 100% in öffentliche Hand.
Systemfrage
Der wirtschaftliche Post-Corona Restart wird,, so wie es im Moment aussieht, wohl nicht dazu führen dass an den Fundamenten der kapitalistischen Produktionsweise gerüttelt wird. Aber genau das ist es was wir brauchen. Die Infragestellung eines Systems das nach zwei Monaten Lockdown am Boden liegt, und nur mit massiver staatlicher Unterstützung am Leben gehalten werden kann. Bislang gibt es keine verbindlichen Verpflichtungen für die Betriebe, die im großen Stil und ohne Scheu auf massive Staatshilfen zurückgreifen.
Frage: Ist es denn nicht legitim, dass derjenige der in großem Umfang Geld zur Verfügung stellt, auch bestimmen darf wie und wozu genau dieses Geld verwendet werden soll? Illegitim und in höchstem Maße verwerflich ist es, wenn Betriebe auf der einen Seite massiv Staatshilfen in Anspruch nehmen und auf der anderen Seite dicke Boni an ihre Besten und fette Dividenden an die Shareholder ausbezahlen. Wobei es auch noch jene gibt, die ihre Gewinne in Offshore-Steuerparadiesen verstecken.
Verwerflich ist auch die Tatsache, dass der Staat mit maßgeschneiderten Gesetzen in Sachen „Fonds d’investissements spécialisés“ die Wohnraumkrise nicht entschärft, sondern im Gegenteil sogar verstärkt. Wohnraum darf kein Spekulationsobjekt sein, sondern ist ein Grundrecht. Hier muss dringend angesetzt werden. Denn während dieser Krise wurde deutlich, dass die Wohnungsnot gerade die Schwächsten am härtesten trifft. Restart beim Wohnungsbau tut Not. Das Feld darf aber nicht den Haifischen der Branche überlassen werden.
Staat und Gemeinden müssen verstärkt als Bauherren aktiv werden. Es wurde oft genug gesagt und geschrieben, dass das Investitionsvolumen, welches der staatliche Rentenreservefonds in diesem Bereich zur Verfügung stellt, bei Weitem nicht ausreicht. In diesem Zusammenhang sollte vielleicht erwähnt werden, dass auch der Staat als solcher hier eine große Verantwortung hat.
180 Millionen Euro für ein Militärsatelliten und nochmals 420 Millionen Euro für ein Tankfliegerprogramm, zusätzlich zu den bereits zugesagten 342 Millionen Euro für die beiden Projekte, das grenzt an ganz große Verarschung.
Zum Vergleich: das „Südspidol“ das wohl erst 2026 fertig sein wird, kostet den Staat 434 Millionen Euro. Die Mehrkosten für die beiden unsinnigen Militärprojekte übersteigen also bei Weitem die staatlich garantierten 80% der Baukosten für das neue „Südspidol“. Wie wollen die zuständigen Instanzen diesen Umstand erklären?
Restart
Nach dem brutalen Abwürgen der Wirtschaft durch den Lockdown, soll nun der keuchende Wirtschaftsmotor wieder hochgefahren werden. Dazu nimmt der Staat sehr viel Geld in die Hand. Er bürgt für Bankkredite, finanziert die Teilarbeitslosigkeit und kündigt an innerhalb eines Jahres die Folgen des Lockdowns überwunden haben zu wollen. Es sieht also so aus, als sei nicht vorgesehen irgendetwas aus dieser Krise zu lernen.
Oder einen sozial gerechten und nachhaltigen Restart hinzulegen. Die Jagd nach Wachstum, nach einem zu erwartenden Minus von bis zu 12% für das laufende Jahr, hat begonnen. Lokale und regionale Produktion zum Schutz der Umwelt ist schon wieder in Vergessenheit geraten. Es soll also weiter auf Produktionsketten gesetzt werden, die zwar nicht nachhaltig, dafür aber billig sind. Weil sowohl die Produktion wie der Transport der Waren rund um den Globus in einem brutalen ausbeuterischen System stattfinden das menschenverachtend ist. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Globalisierung.
Wir brauchen in Krisenzeiten mehr und nicht weniger Solidarität. Die finanziellen Folgen dieser Krise dürfen nicht auf dem Buckel der Lohnabhängigen, die während der letzten Wochen und Monaten als Heldinnen und Helden der Krise gefeiert wurden, gelöst werden. Die Tatsache, dass die Heldinnen und Helden der Krise damit „belohnt“ wurden, dass sie jetzt 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche arbeiten dürfen, ist auch nur bedingt vermittelbar. Die Zeit für eine substantielle Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausfall, verbunden mit Neueinstellungen und ohne Erhöhung des Arbeitsdrucks ist reif.
Jean-Claude Thümmel 23/05/2020