Stadt Luxemburg – ein Budget ohne Vision
Wachsen, wachsen, aber zu wessen Vorteil ?
Die Stadt Luxemburg verfügt gegenwärtig über ein Finanzpolster von rund 810 Millionen Euro.
Allerdings sind mit dem starken Wachstum der Stadt immer höhere Ausgaben verbunden. Zwischen 2015 und 2017 wird zweimal mehr im Bereich der Gebäulichkeiten ausgegeben und 2,5 mal mehr im Bereich der Infrastrukturen und der Netze. Mehr wachsen heißt nicht automatisch besser leben.
Zum ersten ist evident, dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten unmöglich ist – was im kleinen Luxemburg noch klarer sein sollte !
Zum zweiten wird auch das sogenannte „Qualitative Wachstum“ eine Verringerung der Lebensqualität und der Lage der unteren und mittleren Gesellschaftsschichten mit sich bringen.
Unter den Begriff „Verringerung der Lebensqualität“ fallen natürlich der tagtägliche Stress, Natur- und Umweltverschmutzung, aber auch der Wohnungsmangel, welcher eine Verringerung des Reallohns und steigende Armut mit sich bringt
Es wird höchste Zeit, eine offene Diskussion über unser Gesellschaftsmodell zu führen und dabei muss die notwendige Umverteilung des Einkommens und des Reichtums auf der Tagesordnung stehen, als Alternative zum Konzept, dass Wachstum notwendig sei, um unser Sozialmodell zu finanzieren. Und bei dieser Umverteilung spielen die Staats- und die Gemeindefinanzen eine wichtige Rolle.
Das Budget der Stadt Luxemburg lässt auch für 2017 eine klare Vision vermissen, wie es weitergehen soll. Die Optik „wir-können-sowieso-nichts-tun“ und allenfalls die Exzesse abfedern, ist die gleiche wie auf Regierungsebene in Sachen „Qualitatives Wachstum“.
Akuter Mangel an sozialer Wohnungspolitik
Das dringendste Problem ist zweifellos die Wohnungsnot, die immer schlimmer wird und nicht nur die Geringverdiener, sondern zunehmend auch die Mittelschicht aus der Stadt ausschließt. déi Lénk hatte Ende Januar 2015 eine umfassende Motion zur Wohnungspolitik eingebracht. Die Reaktion des Schöffenrats war klar in dem Sinne, dass die Stadt nicht auf dem Wohnungsmarkt mit öffentlichen Wohnprojekten auftreten will. Wortwörtlich klang das so: “Das Gesellschaftsbild der Stadt Luxemburg und des Luxemburger Staates ist nicht das einer Gesellschaft, in der Staat und Gemeinde gefordert sind, das Lebensbild des einzelnen Bürgers umzusetzen.“ Aber sogar ganz bescheidene Maßnahmen die in dieser Motion standen, wie z.B. die logistische Unterstützung von Hausbesitzern, die ihr Haus unterteilen möchten, weil es nach dem Wegzug der Kinder für sie zu groß geworden ist, oder die Förderung von Maßnahmen zum Ausbau von Altbauwohnungen, bzw. für deren bessere Isolierung, um den Mietern hohe Heizkosten zu ersparen, oder gar die bessere Information der Mieter über die Mietkommission, sind von der DP-déi Gréng-Majorität nicht unterstützt worden.
Symptomatisch für die Art und Weise, wie der Schöffenrat an den Wohnungsnotstand herangeht, war auch die damalige Stellungnahme der Bürgermeisterin: „Personen, die sich in einer Notsituation befinden, wird geholfen. In diesem Bereich leistet die Stadt Luxemburg seit langen Jahren Pionierarbeit. Wir werden diese Arbeit fortsetzen.“ So wird der Wohnungsnotstand auf ein Problem von Personen reduziert, die sich in einer sozialen Notlage befinden.
Und genau diese Haltung finden wir auch im diesjährigen Rapport des Grünen Budgetbericherstatters wieder, wo er die konventionierte Zusammenarbeit mit der „Agence immobilière sociale“ als wegweisend hervorhebt: „Avec une personne en plus, l’AIS pourra augmenter à 60 le nombre de logements gérés.“ Und er fügt hinzu : „ … cet exemple positif d’occupation de biens immobiliers existants et disponibles permet d’avoir un impact bien supérieur à celui d’une simple politique de taxation des logements non occupés. Les spéculateurs ne se laisseront de toute façon pas intimider.„
In anderen Worten : Es bringe sowieso nichts, die Spekulation zu bekämpfen oder gegen die Markttendenz agieren ; besser sei es, sich auf soziale Aktionen zu beschränken.
So sind „Déi Gréng“ nun auf die „laisser-faire“ – Politik der Liberalen eingeschwenkt und sie verwechseln zeitgemäße Wohnungspolitik mit Armutspolitik.
Das soll nicht heißen, dass die Stadt nichts tue: Die gewöhnlichen und die außergewöhnlichen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau machen zusammengenommen 2,9% der Gesamtausgaben des 2017er Haushaltes aus. Und im Bereich der sozialen Mietwohnungen werden die außerordentlichen Ausgaben von 16,6 auf 20,6 Millionen Euro gesteigert. Es handelt sich hier hauptsächlich um Transformationen und ein größeres Projekt von sozialen Mietwohnungen in Mühlenbach. Diese Anstrengungen sind natürlich begrüßenswert, aber sie sind völlig ungenügend und sie bedeuten im wahrsten Sinne des Wortes einen Tropfen auf den heißen Stein! Der klägliche Stand des sozialen Wohnungsbaus im ganzen Land und der noch kläglichere in Luxemburg-Stadt, wo er nicht einmal 1% der Gesamtszahl der Wohnungen umfasst, ist das Resultat einer Mentalität, die der Tiefe des Wohnungsnotstandes überhaupt nicht Rechnung trägt.
Auch die Gesetzgebung zum sogenannten “logement à coût modéré“ ist wegen der enormen Preissteigerungen schachmatt gesetzt. In der Stadt Luxemburg liegt der Marktpreis von Neubauwohnungen derzeit bei 7000 Euro pro Quadratmeter. So kann man bei 80% des Marktpreises (was der gesetzlichen Definition des “logement à coût modéré“ entspricht), also einem Quadratmeterpreis von 5.700 Euro, nicht mehr von „Logement à coût abordable“ reden.
Und eine Wohnung zu einem solchen Preis kann von denen, die dem Gesetz nach hierfür in Frage kommen, nicht mehr finanziert werden. Ihr Einkommen ist nämlich zu gering, als dass ihnen von einer Bank eine ausreichende Summe geliehen würde. Im letzten Jahr haben bereits mehrmals Promotoren von Bauprojekten über mehr als 1 ha keine Interessenten gefunden für die 10% Wohnungen, die sie von Rechts wegen „à coût modéré“ anbieten müssen. Die Stadt hat daraufhin ihr Vorkaufsrecht wahrgenommen und diese Wohnungen gekauft, um – so hieß er anfangs – daraus soziale Mietwohnungen zu machen.
Späterhin ist der Schöffenrat aber von seiner anfänglichen Absicht abgerückt: Er will fortan diese Wohnungen nicht als Sozialwohnungen weiter vermieten, sondern sie in einer 1. Etappe ohne das Grundstück, also unter Erbpacht (bail emphytéotique) an die sogenannten „Prime„-Bezieher verkaufen. In einer 2. Etappe – nach 12 Jahren – wird diesen dann angeboten, auch das Grundstück kaufen, und sich so definitiv bis an ihr Lebensende weiter zu verschulden !
Dies zeigt zweierlei:
– Es wird weiterhin auf Eigentumswohnungen gesetzt, obschon die meisten Leute sich diese nicht mehr leisten können, es sei denn, sie verschulden sich enorm. Dabei hat die Europäische Zentralbank rezent vor einer privaten Schuldenkrise und einer Immobilienblase gewarnt.
– Sozialer Mietwohnungsbau wird weiterhin als Randphänomen für die Armen angesehen, und die Stadt will nicht wirklich in diese Richtung investieren. Die DP-Déi Gréng Gemeindeführung stellt auf diese Weise gleich von Anfang an klar, dass auch weitere derartige Wohnungen, welche die Gemeinde aufkaufen wird (und solche werden in Zukunft wohl regelmäßig bei privaten Wohnprojekten über 1 ha anfallen), nicht in den sozialen Mietwohnungsmarkt gehen werden.
Für déi Lenk ist klar, dass das Recht auf eine Wohnung zu einem annehmbaren Preis nicht davon abhängig sein darf, ob man eine Wohnung auf dem überteuerten Luxemburger Wohnungsmarkt kaufen kann.
In dem Sinne haben die Gemeinde und der Staat die Pflicht, den sozialen Mietwohnungsbau im großen Stil zu fördern und selbst in die Hand zu nehmen.
Die bereits erwähnte Motion von déi Lénk zur Wohnungspolitik hatte dazu konkrete Vorschläge gemacht, sie wurden aber nicht beachtet. Und es gibt im 2017er Haushaltsentwurf auch nirgendwo Bewegung in diese Richtung. Es bleibt bei den alten Ideen und die Realität des überteuerten Wohnungsmarktes wird nicht in Frage gestellt.
Armutspolitik statt Sozialpolitik
Über die vermeintliche Wohnungspolitik hinaus, die in diesem Budget ihren Niederschlag findet, ist auch die Sozialpolitik keine Sozialpolitik, sondern Armutspolitik. Natürlich ist die Hilfe, die von der Stadt her armen Menschen zuteil wird, durchaus lobenswert. Besonders der „Streetwork“-Bericht, der Bericht des „Service logement“ oder der des „Service Jeunesse“ zeigen, wie viel notwendige und gute Arbeit hier geleistet wird.
Doch lagert die Stadt viele dieser Aktivitäten aus, indem sie Konventionen mit gemeinnützigen Assoziationen abschließt. Derartige Konventionen belaufen sich auf 5,74 Millionen Euro, was 1,06 % der vorgesehenen ordentlichen Ausgaben für 2017 ausmacht.
Für den Grünen Berichterstatter sorgt diese Auslagerung für eine höhere Produktivität und Flexibilität, sowie bessere Kontrollmöglichkeiten in Punkto Personal. Aus der Sicht von déi Lénk ist dieses systematische “Outsourcen“ allerdings ganz im Sinne der liberalen Ideologie. Gemeinden werden auf diese Weise wie Betriebe geführt, und so die Prekarität der Arbeitsplätze im Sozialsektor in Kauf genommen. Statt dass sich die Stadt als Arbeitgeber exemplarisch verhält, indem sie sichere Arbeitsplätze im Bereich der Sozialarbeit und der Armutsbekämpfung schafft, unterstützt sie die liberale Arbeitsmarkt-Ideologie.
Schlimmer noch ist das Beispiel der Auslagerung der Putzfrauen der „Hospices civils“ der Stadt an die Firma Dussmann, um auf diese Weise deren Defizit zu verringern. Von dieser Auslagerung sind Beschäftigte auf dem unteren Niveau der Lohntabelle betroffen.
Übrigens stehen im Personalbereich 5 Millionen weniger ordentliche Ausgaben im Budget 2017 als im Budget rectifié 2016 und die Zahl der Beschäftigten geht insgesamt zurück. Dies obschon die Arbeit aufgrund immer mehr Einwohnern und einer hohen Anzahl an Baustellen zunimmt.